Die Deutsche Bahn hat riesige Aufmerksamkeit dafür bekommen, dass sie nun auf Anschreiben verzichtet. Aber warum war das so bahnbrechend und warum kommen nicht noch mehr Unternehmen auf die Idee?
Es ist lange bekannt, dass Anschreiben wenig Aussagekraft haben, da davon auszugehen ist, dass Bewerber hauptsächlich versuchen, etwas zu schreiben, bei dem sie denken, dass es von ihnen erwartet wird. Eine ehrliche Aussage über die Motivation bekommt man nicht. Keiner würde in ein Anschreiben bei der Deutschen Bahn schreiben: „Ich möchte bei Ihnen arbeiten, weil Sie ein Großkonzern sind und ich daher davon ausgehe, dass ich einen sicheren und gut bezahlten Arbeitsplatz haben werde.“, wenn dies die Motivation sein sollte. Nein, die Bewerber werden sich was anderes ausdenken. Trotz dieses Wissens ist es vielen Unternehmen nach wie vor noch wichtig, ein Anschreiben zu einer Bewerbung zu erhalten.
Trotz mangelnder Validität wird meist auf ein Anschreiben bestanden
In Zeiten wo immer mehr über Fachkräftemangel gesprochen wird, sollte man sich jedoch fragen, ob es noch zeitgemäß ist. Es ist allgemein bekannt, dass das Schreiben von Anschreiben bei Bewerbern nicht beliebt ist und die Hürde, sich zu bewerben, dadurch erhöht wird. Weiterhin ist auch bekannt, dass ein Anschreiben wenig Vorhersagekraft für die zukünftige berufliche Leistung hat.
Im Anschreiben dreht es sich immer noch hauptsächlich darum, dass der Bewerber erklären muss, warum er in dem Unternehmen arbeiten will und warum er der geeignete Kandidat ist. Wir sind allerdings heute meist in der Situation, dass Bewerber erwarten, dass man sie mindestens auf Augenhöhe behandelt und Unternehmen müssen sich immer öfter bei ihren zukünftigen Arbeitnehmern bewerben. Warum sollte ein Bewerber sich mit einem hochindividualisieren Anschreiben auf eine allgemeine und generische Ausschreibung bewerben? Die meisten Unternehmen haben eine Standardausschreibung bei der sie lediglich den Titel, die Aufgaben und die Anforderungen ändern. Jedoch sind selbst diese Textbausteine meist standardisiert, um einen Wiederkennungseffekt zu erreichen.
Das Bewusstsein, dass Unternehmen sich hier bewegen müssen, wächst langsam. Oft treffe ich jedoch immer noch auf die Haltung, die Kandidaten sollen sich aufgrund Ihrer Identifikation mit dem Beruf und dem Unternehmen bewerben. Geld, Arbeitszeitmodelle, Gestaltungsmöglichkeiten dürfen dabei keine Rolle spielen. Kandidaten dürfen sich „nicht nur deswegen“ bewerben. Warum steht eigentlich in den Anzeigen immer noch selten das mögliche Gehalt, aber der Bewerber soll immer schon bei der Bewerbung, spätestens im persönlichen Gespräch, offen legen was er verdienen will? Jeder Bewerber stellt sich die Frage, wie hoch muss ich pokern, um das Beste rauszuholen, denn fordere ich zu wenig bekomme ich auch weniger als vielleicht möglich wäre. Ist das der Anfang einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit? Ich denke nicht.
Bewerber wollen Einblicke erhalten bevor sie sich entscheiden
Bewerber möchten heute entscheiden wo sie arbeiten wollen. Dies ist eine andere Haltung als froh zu sein, ein Job zu haben. Unternehmen wollen jedoch immer noch umworben werden. Zu oft erlebe ich noch, dass Bewerber sich auf eine generische allgemeine Ausschreibung, die beliebig mit unterschiedlichen Unternehmensdaten austauschbar ist, bewerben. Dann entscheidet jemand, dass der Kandidat sich nicht genug Mühe mit seiner Bewerbung gegeben hat, weil sie z.B. einen Rechtschreibfehler enthält und es wird ihm abgesagt. Ich meine, schlechte Stellenausschreibungen verdienen, schlechte Bewerbungen.
Aus meiner Sicht muss es ein Prozess auf Augenhöhe sein. Damit der Kandidat sich ein gutes Bild machen kann was ihn im Unternehmen erwartet, müssen ihm Einblicke gegeben werden. Dazu gehört, dass keine allgemeine Imagekampagne durchgeführt wird, sondern tatsächlich an einer positiven Unternehmenskultur gearbeitet wird und darüber z.B. in den sozialen Medien berichtet wird. Dazu gehört auch in die Ausschreibung zu schreiben, was jeden Bewerber brennend interessiert. Neben Gehalt, sind das authentische Informationen über die Unternehmenskultur sowie Arbeitszeiten und -modelle. Laut einer Stepstoneumfrage möchten Bewerber gerne folgendes wissen:
Insgesamt finden nur 24% der Fachkräfte die Informationen in der Stellenanzeige ausreichen, nur 35% der Bewerber finden Informationen zum Unternehmen leicht auffindbar und nur 42% können sich nach dem Lesen der Aufgabenbeschreibung die Arbeitsinhalte gut vorstellen.
Den Stepstone-Anzeigen-Ratgeber, den man auf der Stepstone-Seite herunterladen kann sowie auch einige andere Dokumente kann ich Ihnen sehr empfehlen. Die Zahlen aus den Umfragen können Ihnen helfen, im Unternehmen dafür zu werben, Anzeigen besser zu gestalten. Ein Unternehmen wird nicht drumherum kommen, eine Anzeige zu schalten, um bekannt zu machen, dass es neue Arbeitsplätze zu vergeben hat. Diese Anzeigen sollten jedoch aussagekräftig sein. Wenn die Zielgruppe abgeholt wird und das meine ich sowohl fachlich als auch persönlich, werden sich auch die richtigen Menschen angesprochen fühlen. Nichts desto trotz auch mit guten Anzeigen denken Sie noch mal über alternative Bewerbungswege nach als von Ihren Bewerbern ein Anschreiben zu verlangen. Darüber werde ich nochmal einen gesonderten Artikel schreiben.
Um mit der Fragestellung abzuschließen: Auch Unternehmen versuchen in Stellennausschreibungen echte Einblicke zu vermeiden. So fängt also ein Bewerbungsprozess an, dass beide Parteien, ihre Karten nicht offen auf den Tisch legen, wenn auch aus unterschiedlichen Motivationen heraus.
Ich gehe nun in die Sommerpause und werde daher für drei Wochen meinen wöchentlichen Veröffentlichungsrhythmus unterbrechen. Vielleicht packt es mich zwischendurch, falls aber nicht dann genieße ich einfach meinen Urlaub und Sie lesen von mir Anfang September. Diese Zeit werde ich nutzen, um einige Themen zu überdenken, die mir seit einiger Zeit für meinen Blog im Kopf herumschwirren. Also genießen Sie den Sommer und bis bald.