Diese Frage kommt in verschiedenerlei Gewandt daher. Sie kann auch heißen: Warum wollen Sie bei uns arbeiten? Was hat Sie an unserer Stellenausschreibung angesprochen? Unternehmen erhoffen sich von diesen Fragen etwas über die Motivation des Kandidaten zu erfahren und auch wie gut er sich vorbereitet hat. Verständlich.
Mit welcher Haltung wollen Sie rekrutieren?
Stellen Sie sich folgendes Szenario vor, der Bewerber fragt:
- Was wissen Sie über mich?
- Warum sollte ich für Sie arbeiten?
- Was hat Sie an meinen Bewerbungsunterlagen angesprochen?
Undenkbar? Warum?
Sie haben doch die Bewerbungsunterlagen gelesen und ihn ausgewählt und eingeladen. Ausgehend davon, dass alle über Fachkräftemangel reden, warum sollte diese begehrte Fachkraft bei Ihnen arbeiten wollen?
Unternehmen scheinen per se davon auszugehen, dass es attraktiv ist bei Ihnen zu arbeiten und dass der Bewerber sich dazu erklären muss, denn er ist nicht per se attraktiv, sondern muss sich im Gespräch erst als geeignet herausstellen. Ich bin selbst Personalerin und ich weiß auch wie das ist, wenn man bei einem Unternehmen arbeitet, welches man ganz toll findet und man hat nun die Verantwortung auszuwählen wer noch bei diesem tollen Unternehmen arbeiten darf und diese Auswahlentscheidung will man mit aller Verantwortung treffen. Geschenkt!
Recruiting auf Augenhöhe
Ich vertrete jedoch die Ansicht, dass Recruiting auf Augenhöhe stattfinden muss. Wenn ich wirklich „gute“ Mitarbeiter finden will, was immer das auch in meinem speziellen Unternehmenskontext heißt, ist es aus meiner Sicht nicht zielführend, dem Kandidaten das Gefühl zu geben, dass er sich erklären muss. So lange Sie Kandidaten nicht das Recht einräumen, genau die gleichen Fragen auch an Sie zu richten, befinden Sie sich nicht auf Augenhöhe im Auswahlprozess. Ist es das was Sie wollen? Und können Sie es sich als Unternehmen leisten? Neben dieser Frage zur inneren Haltung will ich Ihnen jedoch auch aufzeigen, warum diese Fragen nicht mal den gewünschten Effekt bringen, dass Sie mehr Klarheit über Motivation erhalten. Außerdem frage ich Sie, ist Vorbereitung auf ein wichtiges Gespräch, ein Kriterium in Ihrem Auswahlprozess? Wenn ja, dann gibt es vielfältige andere Möglichkeiten, dieses auch durch die reguläre Fragetechnik herauszufinden.
Bleiben Sie bei der bewährten Fragetechnik
Um in einem Vorstellungsgespräch die Eignung eines Kandidaten feststellen zu können, brauchen Sie als Basis ein Anforderungsprofil. Wenn Ihr Anforderungsprofil enthält, dass der Kandidat sich auf wichtige Termine vorbereitet, dann können Sie z.B. fragen:
- Bitte beschreiben Sie wie Sie sich zuletzt bei einem wichtigen Termin vorbereitet haben.
Ihr Verhaltensanker könnten sein:
- Hat sich im Vorfeld Gedanken gemacht, welche Ziele er in dem Termin verfolgt.
- Hat sich im Vorfeld über die Gesprächsteilnehmer informiert.
- Nimmt vorbereitete Unterlagen mit in den Termin.
- Macht sich während des Termins Notizen
So können Sie Ihr Kriterium im Gespräch abprüfen, ohne dass ein Hierarchiegefälle entsteht und vor allem stehen ganz objektive Verhaltensanker dahinter.
Behalten Sie Ihr Ziel im Blick: Was wollen Sie wirklich wissen?
Was die Motivation betrifft, ist meine Erfahrung, Bewerber erwarten diese Frage im Vorstellungsgespräch und bereiten sich deswegen schon entsprechend vor. Sie werden aber nicht so sehr darauf eingehen was ihre wirklichen Motive sind, sondern was sie denken, was Sie von Ihnen hören möchten. Und wenn Sie sich auf eine identische Position in zwei verschiedenen Unternehmen bewerben, werden sie eine Argumentation für jedes Unternehmen ausarbeiten. Was bringt Ihnen das also im Gespräch? Sie hören eine vorbereitete Antwort, die auf Recherchen Ihrer Homepage und dem Internet basiert. Da der Kandidat nur die Außendarstellung Ihres Unternehmens kennt und keine Einblicke in den tatsächlichen Arbeitsalltag hat, versucht er eine Argumentation ins Blaue hinein in der Hoffnung, dass er richtig liegt. Ich bin der Meinung, dass dies wenig Relevanz für eine Aussage über die tatsächliche Motivation hat. Denn, wenn z.B. seine Motivation ist, dass Ihr Unternehmen in der Region der größte und sicherste Arbeitgeber ist dann wird er Ihnen das natürlich nicht sagen, sondern sich etwas anderes ausdenken. Sie haben also auch nicht die Möglichkeit zu unterscheiden, was der Kandidat vielleicht wirklich ernst meint oder ob er nur seine tatsächlichen Motive überdecken will.
Auch für einen Abgleich von Bewerbererwartungen und der tatsächlichen Stelle ist diese Frage nur bedingt geeignet. Denn wie oben beschrieben, kann der Bewerber nur Vermutungen anstellen und wird immer im Hinterkopf haben, dass Ihnen diese Antwort gefallen soll. Darüber hinaus ist allgemein bekannt, dass Stellenanzeigen auch nur wenig aussagekräftig sind und viel Interpretationsspielraum auf beiden Seiten lassen. Wenn Sie nun Vermutungen des Bewerbers als Bewertungsgrundlage nehmen, könnten Sie etwas vergleichen, was nicht der Realität entspricht und unter Umständen wäre der Kandidat sogar auch an der Stelle interessiert, wenn sie inhaltlich von seinen Erwartungen abweicht.
Des Weiteren kommt diese Frage dem Kandidat wie ein Abfragen von auswendig Gelerntem vor. Hat er die Homepage gelesen? Was davon hat er sich gemerkt? Sie versetzen ihn also zurück in die Schule, in die Ausbildung oder ins Studium wo er vor Prüfern sein Wissen präsentieren muss. Wie auch bei dem Thema Vorbereitung, wenn Merkfähigkeit ein Kriterium ist, dann empfehle ich Ihnen die reguläre Fragetechnik mit objektiven vorher festgelegten Verhaltensankern. Und fragen Sie sich, will ich eine Prüfungsathmosphäre in meinem Vorstellungsgespräch erzeugen?
So gewinnen Sie Fachkräfte für Ihr Unternehmen
Meine Empfehlung ist, dass Sie am Anfang in der Aufwärmphase Ihr Unternehmen kurz und prägnant vorstellen und zum Ende des Gespräches kurz und prägnant die Stelle und im Anschluss daran in ein Fachgespräch einsteigen. Lassen Sie den Bewerber Fragen stellen. Zum einen tragen Sie dadurch zu einem positiven Bewerbungserlebnis bei, weil jeder Bewerber weiß, dass ein guter Bewerber Fragen stellen soll und zum anderen werden Sie anhand der Fragen feststellen wie weit sich der Kandidat wirklich mit der Stelle und dem Unternehmen auseinander gesetzt hat und welche Verbindungen er zu seinem vorangegangenen Tätigkeiten herstellen kann. Nicht zuletzt sehe ich diesen Abschnitt im Vorstellungsgespräch auch als Chance, dass Sie den Bewerber für Ihr Unternehmen begeistern können. Denn gerade bei Zielgruppen, die es am Arbeitsmarkt nicht im Überfluss gibt, müssen Sie dem Kandidaten Gründe liefern, warum er sich für Sie entscheiden soll und nicht umgekehrt.
2 Kommentare zu „Vorstellungsgesprächfragen im Test: Was wissen Sie über unser Unternehmen?“
Hallo Katharina, durch deine Presentation auf der Zukunft Personal Nord bin ich auf deinen Blog gestoßen. Eine Zuhörerin hat dich gefragt, ob du auch Interviewfragen zur Motivation de s Bewerbers stellst. Daraufhin hast du auch auf diesen Eintrag verwiesen. Ich finde ihn treffend und anschaulich macht dein Argument die umgekehrten Fragen von Kandidaten. Danke für einen Anstoß zum Neudenken und viel Erfolg weiterhin! Beste Grüße, Franziska
Liebe Franziska, vielen Dank für dein positives Feedback. Ich freue mich, dass ich dich für meine Argumentation gewinnen konnte 🙂