Zu Beginn der Corona Krise war meine Timeline in den sozialen Medien voll von Corona-Nachrichten. Eine Hiobsbotschaft jagte die nächste. Diese Negativität habe ich kaum ausgehalten und fühlte den starken Impuls etwas zu tun.
Wir, als Gesellschaft, hatten seit dem 2. Weltkrieg keine großen Krisen mehr zu bewältigen. Dass viele von uns, es nun mit der Angst zu tun bekamen, ist verständlich und nachvollziehbar. In Zeiten in denen es im Netz auch nur von Trollen sowie Bots wimmelt und Populisten versuchen aus diesen Ängsten Kapital zu schlagen, fand ich es umso wichtiger zu versuchen, dem etwas entgegen zu setzen.
Ich selber beschäftige mich schon seit Jahren mit den Themen Selbststeuerung und mentale Stärke. Ich bin immer wieder zu dem Schluss gekommen, dass es die Geschichten sind, die wir uns selber erzählen, die dafür sorgen, dass wir mit Krisen besser oder schlechter umgehen können. Ich denke dabei zum Beispiel an Viktor Frankl*, ein österreichischer Neurologe und Psychiater, der es geschafft hat, sich im Konzentrationslager seine mentale Stärke zu erhalten und damit zu überleben. Sein Ansatz ist:
Man kann in jeder Situation etwas Sinnhaftes finden, auch wenn es uns in dem Moment verborgen ist. Share on X Dies ist die Grundprämisse seiner berühmten Logotherapie und Existenzanalyse.
Auch das Thema, übertragene Kriegstraumata, spielt in diesem Zusammenhang eine Rolle für mich. Wir alle spüren noch mehr oder weniger stark innere Impulse und Verhaltensweisen, die Überbleibsel der nicht verarbeiteten Traumata unserer Großeltern sind**. „Stell dich nicht so an“ ist eines dieser übertragenen Muster und ist ein Gedanke, den viele Menschen sich kontinuierlich selber erzählen und darunter leiden. Was also, wenn wir nun wieder eine neue Generation traumatisierter Menschen erzeugen?
„Sorgen ändern nichts“ schrieb Dr. Dyer, bekannter Autor und Psychotherapeut. „Das beste Mittel gegen Sorgen ist Aktivität.“, schrieb er außerdem. So war es auch für mich persönlich besonders wichtig gleich zu Anfang der Corona Krise aktiv zu werden. Mit meinen Mitmenschen, etwas Sinnhaftes in diesen schwierigen Zeiten zu finden und ins Handeln zu kommen statt mir Sorgen zu machen.
Wie alles begann
Zunächst suchte ich mir Verbündete für meine Mission und fand Steffi Maaß und Oliver Ewinger. Sie beide spürten ebenfalls das Bedürfnis, etwas zu unternehmen. Unsere erste Maßnahme war, einen Twitter-Kanal zu gründen und dort bewusst, positive Nachrichten zu verbreiten. Das machte richtig Spaß und wirkte befreiend. Wir erhielten viele positiven Nachrichten, dass unsere Aktivitäten sehr geschätzt würden und als Bereicherung in der Timeline gesehen würden.
Nach einem Austausch mit Dajana Laube und dem Hören eines Podcast mit Christiane Brandes-Visbeck beschlossen wir schnell einen Workshop im ähnlichen Format wie die Zukunftsnarrative auf die Beine zu stellen. Die Gründerinnen der Zukunftsnarrative haben sich ein Workshopformat überlegt, in dem sie gemeinsam mit den Teilnehmenden positive Narrative für mehr Mut und Zuversicht als Gegengewicht zur Angst vor der Digitalisierung entwickeln.
Was sind Narrative und was können sie leisten?
Was hat es denn eigentlich mit diesen Narrativen auf sich? „Starke Geschichten verändern unsere Wahrnehmung“ sagt Christiane Brandes-Visbeck von der Zukunftsnarrative. „Und wenn starke Geschichten Narrative werden, verändern sie die Welt.“ Konkret bedeutet das, führt sie weiter aus:
Narrative sind sinnstiftende Erzählungen, transportieren Werte und Emotionen und geben gesellschaftliche Orientierung. Share on XGenau das Richtige für unsere #coroNarrative dachten wir uns und fragten Christiane kurzerhand, ob wir sie zu unserem Workshop als Impulsgeberin einladen dürfen. Da ich die Liberating Structures liebe, war schnell klar, dass wir aus diesem großen Methodenfundus ein Konzept für einen Online-Workshop entwickeln würden. Vor der eigentlichen Narrativentwicklung war es uns jedoch wichtig, dass die Teilnehmenden auch den Raum erhalten über ihre Gedanken und Gefühle in der aktuellen Situation zu sprechen. Daher stand nach einem ersten Networking der Austausch in Kleingruppen auf der Agenda. Laut den Teilnehmenden wurde es da sehr intensiv und intim.
Nach dem Impulsvortrag von Christiane wurden dann in Kleingruppen Narrative entwickelt. Einige davon haben wir auch dokumentiert und haben sie noch während des Workshops mit dem Netzwerk geteilt. Nach dem Workshop ging das Feuerwerk in den sozialen Medien weiter. Noch eine Woche lang waren täglich Narrative und Erfahrungen aus unserem Workshop zu lesen. Für uns war das ein ganz wunderbares Erlebnis, dass wir die Menschen so berühren konnten.
Der Erfolgsfaktor für wirkliche Veränderung ist jedoch, dass die Narrative nun kontinuierlich weiter erzählt werden. Daher haben wir inzwischen Grafiken für Social Media entwickelt und teilen diese regelmäßig. Hier ein paar Beispiele, die aus unserem ersten Workshop entstanden sind.
Die gemeinsame Entwicklung von Narrativen in Krisenzeiten kann sehr stabilisierend zu wirken. Zum einen bieten sie die Grundlage für positive Geschichten, die auf unsere mentale Stärke einzahlen und durch die gemeinsame Erarbeitung entsteht eine Verbundenheit in der Gruppe. Diese beiden Faktoren sind meines Erachtens sehr hilfreiche Hebel, um als Gesellschaft eine Krise zu meistern und so Populisten, Bots und Trollen weniger eine Plattform zu bieten. Für uns persönlich war es auf jeden Fall eine große Bereicherung. Deswegen geht es jetzt auch verstärkt weiter.
Wie geht es weiter?
Hast du ein tolles positives Narrativ, welches anderen Menschen in der Corona Krise helfen kann? Dann sende es, gemeinsam mit deinem vollständigen Namen und wenn vorhanden mit deinem Twitterhandel, an coronarrative@gmail.com. Share on X Wir werden es veröffentlichen und teilen.
Der zweite Workshop ist außerdem für Oktober in Planung. Wir werden ihn basierend auf unseren Erfahrungen aus dem ersten Workshop nochmal überarbeiten. Das nächste Mal wünschen wir uns, dass jeder aus unserer Twitterbubble versucht, noch jemanden mitzubringen, der bisher außerhalb unserer Bubble aktiv ist und bei dem er denkt, dass unsere coroNarrative ein wertvoller Beitrag für diese Person sein kann. Weiterhin hatten wir überlegt, eine kleine Gebühr zu erheben, um unsere Narrative im Anschluss auf Sticker drucken lassen zu können und sie zu verteilen. Wie findet ihr die Idee? Lass uns gerne dein Feedback da.
Insgesamt haben wir als Gründungsteam gemerkt, dass wir nicht so schnell vorankommen wie wir es uns wünschen, weil wir zeitlich alle stark eingebunden sind. Hast du Lust die #coroNarrative zu unterstützen? Share on X Das muss nicht als regelmäßiges Mitglied sein, sondern darf gerne auch die Übernahme von Einzelaufgaben sein, z.B. die Sticker-Erstellung, das Teilen der Narrative in verschiedenen Netzwerken oder das Visualisieren unseres nächsten Workshops per Sketchnote. Du hast noch andere Ideen, was du beitragen kannst. Gerne! Wir freuen uns. Schreibe uns gerne persönlich an.
Literatur:
* Frankl: …trotzdem Ja zum Leben sagen: Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager
** Baer & und Frick-Baer: Kriegserbe in der Seele: Was Kindern und Enkeln der Kriegsgeneration wirklich hilft
*** Dyer: Der wunde Punkt