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Das Vollzeitarbeitsmodell hat ausgedient

Dies ist ein Beitrag zur Blogparade von Melanie Belitza zum Thema Teilzeit. Das Vollzeitarbeitsmodell im klassischen Sinne hat meiner Meinung nach ausgedient. Aus meiner Sicht sollte ausreichend Raum sowohl für Erwerbsarbeit, Care Arbeit, gesellschaftliches Engagement und persönliches Wachstum sein. Hier beschreibe ich wie ich für mich versuche, all dies zusammen zu bringen.

Neben Erwerbsarbeit sollte auch Raum für Care Arbeit, gesellschaftliches Engagement und persönliches Wachstum in Arbeits- und Lebensmodellen sein. Klick um zu Tweeten

Rückblick

Wenn ich rückblickend all meine Arbeitgeber betrachte, dann haben sie einiges gemeinsam, wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung:

  • Leistung wird in Zeit gemessen,
  • Es gibt einen unausgesprochenen Wettbewerb wer die meisten Überstunden hat
  • Lernen beschränkt sich im Wesentlichen auf eine zweitägige Weiterbildung in Form eines Präsenzseminars.

Dazu kam, dass ich lange Zeit auch selber keine Initiative entwickelt habe, sondern eher passiv war: Hauptsache ein sicherer Arbeitsplatz, nicht auffallen, damit ich nicht anecke und brav Leistung (Zeiteinsatz) erbringen, damit ich Anerkennung erhalte.

Dies ist keine Abrechnung mit meinen ehemaligen oder aktuellen Arbeitgebern. Dies ist das Ergebnis dessen wie ich sozialisiert wurde und wie ich die Kultur in den Unternehmen in denen ich gearbeitet habe, wahrgenommen habe. Bis zu dem Punkt, dass ich Ende 2017 zu dem Ergebnis gekommen bin, dass es so nicht weiter gehen kann und dass ich selbst die Verantwortung für die Qualität meiner Arbeitszeit übernehmen will. Dass ich seit Juli 2020 Teilzeit arbeite, ist nur ein weiterer Schritt meiner persönlichen Entwicklung, mir selbst meine Arbeitswelt so zu gestalten wie es zu mir passt.

Zu meiner beruflichen Umorientierung, welche ab Ende 2017 bei mir passiert ist, habe ich schon ausführlich geschrieben. Auch dazu, wie ich versuche, die Arbeitswelt in einem Krankenhaus, der hierarchischsten Organisationsform, die ich bisher kennengelernt habe, zu gestalten, habe ich schon geschrieben. Dies sind alles Teilabschnitte meiner Reise, die zuletzt darin mündete, dass ich Teilzeit beantragt und meinen Blog relaunched habe sowie nun auch offiziell meine freiberufliche Mitarbeit in Unternehmen und Organisationen anbiete.

Hintergründe

Wie ist es zu der Entscheidung, in meiner Anstellung in Teilzeit zu arbeiten, gekommen? Genau genommen arbeite ich ja gar nicht Teilzeit, sondern ich habe lediglich die Arbeitszeit bei meinem Arbeitgeber reduziert. Denn mit der Entscheidung, selbst die Verantwortung für die Qualität meiner Arbeitszeit zu übernehmen, begann ich nun in meiner Freizeit all die Dinge zu tun, die ich in meiner „Arbeitszeit“ nicht in der Form tun konnte wie ich es mir wünschte. Das führte dazu, dass ich fast jeden Abend auf Meet-ups unterwegs war, dass ich bis zu 10 Tage meines Jahresurlaubs darauf verwendete an Messen, Konferenzen und Barcamps teilzunehmen und am Wochenende schrieb ich noch fleißig Blogartikel. Mein Mann vermutet, dass ich so insgesamt auf eine 60 Stunden-Woche gekommen bin mit 20 Tagen Urlaub im Jahr. Gleichzeitig hatte ich Mühe, bei meinem Arbeitgeber die Stempeluhr immer so zu steuern, dass sie kein Minus auf meinem Arbeitszeitkonto anzeigte. Ich habe es nicht ausgewertet, schließlich hatte ich ja ein Ziel vor Augen, welches ich mit diesem Einsatz erreichen wollte.

Schon bald entwickelte ich das erste Störgefühl und spürte das Ungleichgewicht. In der ersten Jahreshälfte 2019 begann ich daher mich mit Meditation und Achtsamkeit zu beschäftigen. Im Januar 2020 kam dann das Bulletjournal dazu. Ich dachte, ich müsste mich nur selbst optimieren, zielgerichteter sein und meine Zeit immer optimal einsetzen, dann würde ich diese schleichende Erschöpfung in den Griff bekommen. Im Sommer 2019 fiel es mir im Urlaub das erste Mal auf, dass in dieser „freien“ Zeit, meine Kreativität und meine Ideen auf einmal so sprudelten. Kaum kam ich zur Ruhe, spürte ich all das was in mir drinsteckte und raus wollte.

Der Erfolg stellt sich ein

Bezeichnend ist, dass sich durch diese Form des privaten Engagements für meine berufliche Entwicklung auch der Erfolg in vielen Bereichen einstellte. Einer davon ist, dass ich unserer Geschäftsführung, ein komplett neues und digitales Personalmarketingkonzept vorstellen durfte. Das Konzept ist so gut angekommen, dass organisatorische und strukturelle Veränderungen in unserer Organisation vorgenommen wurden. Es hat maßgeblich dazu beigetragen, dass wir seit Anfang 2020 unsere Bewerberzahlen massiv steigern konnten. Bezeichnend ist aber auch, dass keiner gefragt hat, wann und wie ich mir das Wissen dazu angeeignet habe, um dieses Konzept zu erstellen. Und bis heute fragt auch keiner wann und wie ich mein Wissen eigentlich auf den aktuellen Stand halte, damit ich das Konzept kontinuierlich weiterentwickeln kann. Ich bin fest davon überzeugt, dass es in meiner Organisation kein Bewusstsein dafür gibt.

Organisationen und Unternehmen haben häufig noch kein Bewusstsein dafür, dass gute Arbeitsergebnisse nicht nur Fleiß, sondern auch Raum zum Denken brauchen. Klick um zu Tweeten

Hier kommen wir wieder zu dem Punkt, dass ich die Entscheidung getroffen habe, selbst die Verantwortung für mich und meine Arbeitswelt zu übernehmen. Keine innovativen Konzepte in mein Unternehmen einzubringen und einfach nur meine Zeit abzusitzen, kommt für mich nicht in Frage. Weniger zu lernen und mein wunderbares Netzwerk zu reduzieren, ist ebenfalls keine Option. So erschöpft zu sein wie ich es in diesem Jahr vor meinem Urlaub war, sodass ich zwei Wochen gebraucht habe bis sich überhaupt sowas wie Erholung einstellt, ist außerdem nicht erstrebenswert. Was bleibt? Reduzierung der Arbeitszeit im Rahmen der Anstellung bei einem Arbeitgeber ist für mich die einzige logische Konsequenz.

Klassische Vollzeit ist nicht mehr zeitgemäß

Das Vollzeitarbeitsmodell wie wir es aus der Industrialisierung kennen, hat aus meiner Sicht ausgedient. Damit meine ich das fleißige Abarbeiten der operativen Arbeit, das Messen von Leistung in Zeit und dass „Arbeiten“ wichtiger ist als “Lernen”. Ich hoffe sehr darauf, dass Vollzeit arbeiten zukünftig irgendwann mal heißen wird, dass alles besser vereinbar ist: die zu erledigende Arbeit, persönliche Entwicklung, gesellschaftliches Engagement und Familie. Ich hoffe auch, dass es einen anderen Begriff als Vollzeit geben wird, denn hier liegt immer noch der Fokus auf Zeit und nicht auf Ergebnis, Innovation und Nachhaltigkeit.

Zukünftige Arbeitsmodelle sollten den Fokus auf Ergebnis, Innovation und Nachhaltigkeit anstelle auf Zeit legen. Klick um zu Tweeten

So lange das noch nicht ist, bleibt die Verantwortung am Ende immer noch bei mir selbst. Meine praktische Erfahrung mit Teilzeit ist erst sehr kurz. Es liegen gerade mal vier Wochen hinter mir. Jedoch muss ich sagen, dass diese vier Wochen mit einem „freien“ Mittwoch einfach wunderbar waren. Und ratet mal, ich habe keines meiner Projekte bei meinem Arbeitgeber abgegeben. Denn ich spüre auch, dadurch, dass der Mittwoch meinen eng getackten Arbeitsalltag im Krankenhaus unterbricht, dass ich donnerstags und freitags mit viel mehr Energie an meinen Arbeitsplatz zurückkehre als vorher. Ich verfolge jedoch einen stärkeren Fokus auf meine Aufgaben und lasse einige Dinge weg, die nicht mit meinen Kernaufgaben zu tun haben.

Der „freie“ Mittwoch ist deshalb in Anführungszeichen, da er nicht arbeitsfrei ist. Hier erledige ich alle die Dinge, die mir im beruflichen Kontext ebenfalls wichtig sind, die ich aber vorher abends und am Wochenende gemacht habe, weil kein Platz in meinem Anstellungsverhältnis dafür war. Ich genieße die Zeit zum Podcast hören, Blogs lesen und für Zoom Calls mit Menschen aus meinem Netzwerk. Ich nehme mir außerdem die Zeit, um an diesem Tag an meinen Herzensthemen zu arbeiten. Initiativen wie #WOLgoesHealthcare und die #coroNarrative sind aus meiner Sicht wichtig, um die Zukunft der Arbeit und die Entwicklung unserer Gesellschaft mitzugestalten.

Bisher sehe ich also nur Vorteile in meinem gewählten Modell. Die finanziellen Einbußen sehe ich als Investition in meine persönliche Entwicklung und in mein Lebensmodell zu dem definitiv mehr als bezahlte Erwerbsarbeit zählt. Die verlorenen Rentenpunkte hoffe ich durch meine Investion in ETFs (ich investierte allerdings auch schon vor meiner Teilzeit) auszugleichen. Die Reduzierung des Gehalts möchte ich durch meine freiberufliche Tätigkeit ausgleichen, die mir gleichzeitig die Möglichkeit bietet, immer wieder über den Tellerrand zu schauen und mit verschiedenen Unternehmen und Organisationen zusammen zu arbeiten. Und ein ganz wichtiger Punkt, um sich Teilzeit leisten zu können, ist auch seinen Konsum zu überdenken. Seit vielen Jahren achte ich sehr darauf, meine Fixkosten möglichst niedrig zu halten und Ausgaben sehr bewusst zu tätigen. Das tue ich, weil ich weiß, dass ich mir damit meine Freiheit und Unabhängigkeit erkaufen kann und nicht beim Durchrechnen zum Ergebnis komme, dass meine Ausgaben dann höher als meine Einnahmen sind. Investitionen in meine persönliche Weiterentwicklung und in die Möglichkeit möglichst viel meiner Zeit so zu verbringen wie ich das möchte, sind meine oberste Priorität.

Freiheit und Unabhängigkeit bedeuten für mich kontinuierliche persönliche Entwicklung und selbstbestimmte Zeitgestaltung. Klick um zu Tweeten

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Die Inhalte dieses Blogartikels stimmen nicht notwendigerweise mit der Meinung und Haltung meines Arbeitgebers überein. Es handelt sich hier um meine private Meinung.

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