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Was Recruiting von Working Out Loud lernen kann

Vor einiger Zeit habe ich meinen Artikel zu meiner beruflichen Neuorientierung veröffentlicht und dazu aufgerufen, das Schweigen zu brechen. Ich habe unglaublich viele tolle Reaktionen erhalten. Mir wurden aber auch einige kritische Fragen gestellt:

  • Warum sollte ich als Unternehmen anderen Unternehmen Kandidaten empfehlen, vor allem, wenn es sich um meine Konkurrenz handelt?
  • Auf der einen Seite plädiere ich für valide Auswahlverfahren, gleichzeitig spreche ich mich dafür aus, Netzwerke und die sich daraus ergebenen Möglichkeiten zu nutzen. Wiederspricht sich das nicht?
  • Irgendwie muss man als Unternehmen ja eine Vorauswahl treffen. Bewerbungsverfahren sind nun mal der Weg und deswegen muss man sich weiter eigeninitiativ immer weiter bewerben. Da führt kein Weg dran vorbei.

Diese Äußerungen haben mich sehr erstaunt und gaben mir zu denken. Ich habe einige Zeit damit verbracht, darüber nachzudenken, was die Antwort auf diese und ähnliche Fragen sind und bin zu dem Schluss gekommen, dass es eine Haltung ist. Es geht nicht um Klüngel, sondern es geht mir um die Dinge, die Working Out Loud als seine Elemente verinnerlicht hat und die inzwischen für mich selbstverständlich sind. Im Folgenden werde ich darauf eingehen, was Recruiting von den fünf Elementen lernen kann.

Beziehungen

Beziehungen sind das Herzstück von Working Out Loud. Hierbei steht im Vordergrund, Verbundenheit mit Menschen zu entwickeln, die die eigenen Interessen teilen. Dies tun wir insbesondere indem wir anderen Anerkennung zeigen, Rückmeldung/Feedback geben und eigene Beiträge zu leisten.

In Bezug auf Recruiting stellen sich vor diesem Hintergrund für mich die Fragen: Wie kann das Unternehmen einen Beitrag für die Community der Menschen schaffen, die es für sich als Mitarbeiter*innen gewinnen will? Wie können Beziehungen genau zu den Menschen aufgebaut werden, die als potenzielle Mitarbeiter*innen interessant sind? Momentan sind viele Recruitingkampagnen noch nicht besonders zielgruppenorientiert. Zudem herrscht eine Sendeverhalten vor, anstelle ein „Wir haben etwas beizutragen“-Verhalten.

Ich finde ein positives Beispiel dafür ist die Firma Holisticon, die in Hannover ein Mal im Monat das Liberating Structures Meet-up sponsort und organisiert. So trägt sie etwas zu der agilen Community bei und schafft einen Mehrwert. Im Vordergrund steht, einen Beitrag zu leisten sowie die Botschaft, nutzt andere Methoden, um Menschen in Meetings und Veranstaltungen zu Wort kommen zu lassen und alle einzubinden.

Großzügigkeit

Seit ich WOL mache, habe ich angefangen, meine Beziehungen anders zu pflegen. Ich gehe mit offenen Augen und dem Gedanken durch die Welt wie ich andere Menschen unterstützen kann, ihre Ziele zu erreichen und sie damit auf ihrem Weg begleiten kann. Oft wurde ich gefragt, warum ich mein Wissen so frei auf meinem Blog teile und es nicht lieber verkaufe. Ich habe jedoch ein größeres Ziel: ich möchte, dass sich einiges in der Arbeitswelt ändert und versuche durch meinen Blog sowie meine anderen Aktivitäten, einen Mehrwert für alle zu schaffen. Außerdem bin ich mir sicher, dass mir dadurch nichts weggenommen wird, sondern dass es ein Kreislauf ist aus dem ich etwas zurück bekomme.

In Bezug auf Recruiting wünsche ich mir eine großzügige Einstellung gegenüber Bewerber*innen. Fragen, die ich mir vor diesem Hintergrund stelle sind: Wie kann ich dieser Person helfen, in einen tollen Job zu kommen? Kann ich ihr etwas anbieten oder kann ich sie an ein anderes Unternehmen weitervermitteln? Wenn ein Kandidat für mich nicht in Frage kommt, dann ist er für mein Unternehmen sowieso verloren. Zu einem anderen Unternehmen passt er vielleicht genau. Ob dies auch unter direkten Wettbewerbern möglich und sinnvoll ist, gilt es zu diskutieren, aber es gibt ja noch genügend andere Unternehmen. Auch das Anbieten von offenem und transparentem Feedback an Bewerber*innen wie es zu der Entscheidung nach Abschluss des Prozesses gekommen ist, gehört für mich dazu, denn ich möchte nicht, dass ein ungutes Gefühl nach einem Kontakt mit meinem Unternehmen zurückbleibt. Wenn Firmen das Statement ernst nehmen, dass die Mitarbeitenden im Zentrum stehen, um erfolgreich zu sein, dann sollten sie aus meiner Sicht auch eine menschenzugewandte Haltung leben und das bedeutet für mich, alle Bewerber*innen gut zu behandeln, weil es mir ein Anliegen ist. Diese positive Erfahrung wird in den Freundes- und Bekanntenkreis getragen und wird zu uns als Unternehmen zurückkommen. Ich habe es schon so häufig erlebt, dass ich dadurch mit ganz tollen Menschen in Kontakt gekommen bin.

Sichtbarkeit

In Working Out Loud geht es darum, seine Arbeit sichtbar zu machen und darüber mit anderen Menschen ins Gespräch zu kommen. Dann wird etwas gemeinsam entwickelt und sich gegenseitig Feedback gegeben. So entstehen Communities aus Menschen, die sich gemeinsam für etwas einsetzen. Man weiß wofür der andere steht und wen man ansprechen kann.

Kandidat*innen wünschen sich ehrliche Einblicke in Unternehmen. Gerade kleine Unternehmen sind oft nicht sichtbar und größere sind meist lediglich unter Marketing-Aspekten sichtbar. Wenn Unternehmen statt teurer Image-Kampagnen mit ihrer Arbeit sichtbar wären, hätten Bewerber*innen gleich einen Einblick und könnten unabhängig von einem Bewerbungsverfahren mit dem Unternehmen in Kontakt treten. So entsteht ein Netzwerk, was das Prinzip von Post und Pray für Stellenanzeigen überflüssig macht und eine zeitnahe Besetzung von offenen Positionen ermöglicht. Auch hierfür gibt es schon einige Unternehmen, die das sehr gut umsetzen.

Zielgerichteter Entdeckergeist

Working Out Loud ist zielgerichtetes Entdeckertum. Ich begebe mich auf eine Reise, recherchiere, und führe Gespräche zu meinem Lernthema. Dadurch erhalte ich verschiedene Perspektiven und weil ich es über einen längeren Zeitraum tue, entstehen kreative Gedankengänge in meinem Kopf.

Eine zielgerichtete Entdeckerreise im Kontext des Recruiting wäre, heraus zu finden, was bewegt meine Zielgruppe? Was treibt sie an? Was ist Ihnen wichtig? Ich bleibe am Puls der Zeit, besuche Veranstaltungen und werde Teil der Community. Dies gilt nicht nur extern, sondern auch intern. Welche Unterstützung brauchen meine internen Kunden bei der Nachbesetzung von Stellen oder vielleicht ganz simpel, um die vorhandenen Mitarbeitenden zu halten? Ich gehe raus und finde es heraus. Hilfreich können auch Methoden wie Design Thinking sein, um sich in die Zielgruppe hineinversetzen.

Eine offene und neugierige Grundeinstellung

Wenn wir offen und neugierig sind, können wir uns weiterentwickeln und lernen. Wenn wir immer wieder uns selbst auch mal in Frage stellen, ob unsere Glaubenssätze und unsere Gewohnheiten noch hilfreich sind, können wir besser werden. Unser Gehirn ist oft im Energiesparmodus und denkt, dass es schon weiß, was es zu tun hat. Auch der Unconscious Bias schlägt uns oft ein Schnippchen. Durch Working Out Loud wird die Fähigkeit trainiert, sich eine offene und neugierige Grundhaltung zu bewahren.

Gerade im Recruiting sollten wir immer offen und neugierig sein sowie Vorsicht vor schnellen Bewertungen und Beurteilungen walten lassen. Wenn wir das nicht schaffen, könnte es sein, dass wir tolle Kandidat*innen verpassen, weil wir in unseren Denkmustern zu eingefahren sind. Ich stelle mir selber häufig, die Frage: Ist das wirklich so? Oder: Was ist hier tatsächlich der Fall? Ich sehe mich als Recruiterin als jemand, der die Möglichkeit hat, unglaublich viele Menschen kennen lernen zu dürfen und ich bin neugierig, was sie zu erzählen haben.

Fazit

Also zurück zu den oben gestellten Fragen, die ich natürlich noch beantworten möchte:

Ich bevorzuge es, die Welt als ganzheitliches System zu betrachten. Ich habe keine Sorge vor Konkurrenz, weil selbst, wenn ich inhaltlich dasselbe anbiete, vertraue ich auf meine Individualität, die mein Angebot zu etwas besonderem macht. Diese Individualität ist es, die Kandidat*innen ansprechen wird, für genau mein Unternehmen zu arbeiten und darauf vertraue ich. Simon Sinek drückt dies mit seiner Frage nach dem Why aus. Weiterhin sehe ich es als kostenloses Personalmarketing und Employer Branding an, dass ich Bewerber*innen unterstütze, selbst wenn es gerade in meinem Unternehmen nicht passt. Sie werden es weitererzählen und in den sozialen Medien teilen. Dadurch werde ich ein Vielfaches an weiteren spannenden Bewerbungen erhalten.

Sich ein Netzwerk aufzubauen und valide Auswahlverfahren zu nutzen, sind für mich kein Widerspruch. Kommunikation und Interaktion sind für mich die Erfolgsfaktoren, um Menschen für mein Unternehmen zu gewinnen und nicht wochenlang auf den Eingang der richtigen Bewerbung zu warten. Ich erweitere das Feld aus dem ich spannende Kandidat*innen anziehe, die ich vielleicht auf dem Papier erstmal für die Stelle ausgeschlossen hätte. Auch Kandidat*innen haben so das Gefühl, dass sie sich besser zeigen können als wenn sie nur ein paar Unterlagen einreichen. Es ist also für beide Seiten ein win win.

Klassische Bewerbungsverfahren empfinde ich als eine unglaublich hohe Hürde. Bewerber*innen treiben zum Teil großen Aufwand und haben einen geringen Nutzen in dem sie viele Bewerbungen schreiben, wenige Einladungen zum Gespräch erhalten und noch weniger Zusagen. Aber auch im Personalmarketing kenne ich die Trichteranalyse wie viele Kandidat*innen muss ich ansprechen, damit sich eine möglichst große Anzahl von Kandidat*innen auch tatsächlich bewirbt, die dann wieder zu einer Auswahl an verschiedenen Personen führt, die eingeladen werden, um dann letztendlich eine Person zu finden. Das empfinde ich als ineffizient. Ich arbeite lieber nach dem Working Out Loud Prinzip „Klasse statt Masse“. Dazu  brauche ich keine Reichweite, sondern ich muss als Arbeitgeber und als Jobsuchender die Richtigen erreichen. Dann kommen wir zu Effizienz und Zielorientierung.

Nach knapp 1,5 Jahren Working Out Loud bin ich zu der Auffassung gekommen:

Tue das was du wirklich willst, es wird dich mit den richtigen Menschen verbinden.

 

1 Kommentar zu „Was Recruiting von Working Out Loud lernen kann“

  1. Pingback: #021 Über menschenorientierte Unternehmensführung und Recruiting - Im Interview mit Katharina Nolden -

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