Nichts mehr verpassen?

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8 Monate Corona, Home Office und Vertrauen

Wer hatte sie nicht, die Hoffnung, dass sich durch Corona endlich Dinge ändern, die vorher nicht denkbar waren. Die Twitter-Blase erweckt den Eindruck, dass Home Office, moderne IT, Firmenlaptop und -handy ganz normal sind. Doch viele von uns müssen seit Corona teilweise unter den widrigsten Umständen arbeiten, sowohl was ihre Arbeitsplatzausstattung im Home Office angeht als auch mit dem mangelnden Vertrauen, ob und wie viel sie im Home Office arbeiten dürfen. Wer jetzt sagt, dass sie es sich ja selbst ausgesucht haben, für solche Unternehmen zu arbeiten, der denkt zu kurz. Denn Gründe für solche Organisationen zu arbeiten, gibt es viele. Das soll aber nicht der Inhalt dieses Artikels sein.

In der Corona-Krise zeigt sich in jedem Unternehmen wie weit die Entwicklung zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit vorangeschritten ist. Share on X

Es zeigt sich wie stark die Führungskräfte dabei unterstützt werden, eine Vertrauenskultur herzustellen. Es wird aber auch deutlich ob, unter Kostendruck in alten hierarchischen Strukturen, gerade während einer Krise verstärkt auf die alten Muster der Kontrolle zurückgegriffen wird.

Um arbeitsfähig zu bleiben, haben diese Organisationen notwendigerweise im März die Versäumnisse der Digitalisierung aus den letzten 20 Jahren rudimentär nachgeholt. Doch warum wurden viele Mitarbeitende seit Juni sukzessive wieder in das Büro geordert nachdem ein System geschaffen wurde, welches in der ersten Corona-Welle mobiles Arbeiten ermöglichte?

Mögliche Motive für die Rückkehr zur Präsenzkultur

Ich vermute, dass die Führungsriege in vielen Unternehmen einen Kontrollverlust erlitt. Sie mussten plötzlich damit klarkommen, dass sie ihre Mitarbeitenden nicht mehr täglich sahen. Damit einhergehend entstand eine Unsicherheit, ob sie ihren Mitarbeitenden auch im Home Office vertrauen können und ob sie sicherstellen können, dass die Abläufe weiter wie gewohnt funktionieren würden. Denn bisher waren sie es gewohnt, eher eng zu führen.

Für eine Begleitung der notwendigen Veränderung durch Corona über die IT-Anpassungen hinaus gab es in vielen Unternehmen weder mentale noch finanzielle Kapazitäten. Share on X

Für eine Begleitung dieser Veränderung gab es jedoch weder mentale noch finanzielle Kapazitäten, weil die Organisation schon damit ausgelastet war, die IT-Infrastruktur sicher zu stellen. Weitere Punkte mögen sein:

Keine Erfahrung mit Führen auf Distanz

Wer keine Erfahrung mit dem Führen auf Distanz hat, dem kann das Vorstellungsvermögen fehlen wie das gehen soll. In den Organisationen war es auch ausdrücklich nicht gewünscht und die meisten haben sich damit auch wohl gefühlt. Daher gab es bisher auch keine Notwendigkeit, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Führen auf Distanz ist eine ganz andere Herausforderung als sein Team täglich im Büro zu sehen.

 Skeptiker der Digitalisierung

Es handelt sich um Menschen, die kaum soziale Medien nutzen, höchstens um ihre Kinder im Blick zu behalten. Sie empfinden das digitale Angebot als digitale Flut und Überforderung. Sie fühlen sich insgesamt nicht sicher mit Online-Aktivitäten und fürchten um ihren Datenschutz. Da sie selbst nie den Mehrwert von guten digitalen Prozessen und asynchroner Zusammenarbeit erlebt haben, fehlt es ihnen an Vorstellungsvermögen. Sie sehen eher die Hindernisse.

Sie sind selbst so verunsichert und versuchen mit Präsenzkultur ein back to normal durchzusetzen

Ein ganz entscheidender Punkt ist meiner Meinung jedoch auch, dass diese Führungskräfte, wie alle anderen auch, verunsichert sind. Sie kämpfen mit den gleichen psychologischen Herausforderungen und sollen auch noch für ihre Mitarbeitenden da sein und sich mit deren Sorgen befassen. Dabei haben sie selber nicht mehr das Gefühl, alles im Griff zu haben. Alles im Griff zu haben, ist jedoch ein wesentliches Merkmal dieser Führungskräfte. So versuchen sie erstrecht an den alten Mustern festzuhalten, weil es ihnen selbst Sicherheit gibt.

Alte Muster geben nur gefühlte Sicherheit, jedoch nicht echte Sicherheit in Krisen. Share on X

 

Digitale Zusammenarbeit ist mehr als nur die Nutzung von Tools

Mit dem rudimentären Nachholen der Digitalisierung durch das Einrichten von zeitweise geltenden Regeln des mobilen Arbeitens und dem Einrichten von VPN-Zugängen ist es nicht getan. Es braucht eine grundsätzliche Reorganisation der Arbeit für remote Anforderungen, vertrauensbildende Maßnahmen und eine nachhaltige Begleitung der Führungskräfte. Diese müssen lernen wie es auch remote möglich ist, ein Team zusammen zu halten sowie soziale Nähe schaffen und erhalten.

Digitale Zusammenarbeit braucht vor allem eine andere Kultur der Zusammenarbeit. Share on X

Warum machen die Mitarbeitenden das mit?

Im Sinne der Eigenverantwortung ist die Frage berechtigt, warum versuchen Mitarbeitende sich nicht verstärkt mit ihren Vorgesetzten auseinander setzen, wenn manche Arbeitsanweisungen den Anschein erwecken, dass man ihnen nicht vertraut? Warum setzen sie sich scheinbar ohne Widerstand dem gesundheitlichen Risiko aus und kommen ins Büro, wenn es von ihnen erwartet wird?

Ich glaube, dass viele sehr unglücklich mit diesen Regelungen sind. Ich bin überzeugt davon, dass es belastend ist, nicht selber entscheiden zu können, wie man sich vor der Infektion schützt. Viele sind jedoch einfach froh, bei einem Arbeitgeber zu arbeiten, der nicht in Kurzarbeit ist oder sogar Leute entlassen muss. Dann fühlen sich viele aufgrund der mangelnden Ausstattung und der mangelnden Routine zu Hause nicht so wohl. Zu guter Letzt, wer will jetzt noch eine Auseinandersetzung mit seinem Arbeitgeber zusätzlich zu den ganzen anderen Belastungsfaktoren durch Corona?

Was es hier meiner Meinung nach braucht, ist Unterstützung in der Selbstführung, mentale Stärke trainieren, Gemeinsamkeiten stärken und sogar psychologische Gesprächsangebote. Hier sehe ich eine klare Verantwortung der Arbeitgeber.

Arbeitgeber können ihre Mitarbeitenden während der Corona-Krise durch Training in Selbstführung und mentaler Stärke stützen. Share on X

Und die Konsequenzen?

Wir werden alle erschöpfter, unleidlicher und angespannter. Mitarbeitende, die sich nicht verstanden und eingebunden fühlen sowie Führungskräfte, die maximal überfordert sind. Beide müssen in veralteten Strukturen unter unzulänglichen Rahmenbedingungen arbeiten. Die Spannungen sind förmlich zu spüren: Zwischen den einen, die sagen, seid dankbar, dass ihr zumindest zeitweise auch im Home Office arbeiten dürft und durftet. Das wäre vorher nie möglich gewesen. Und den anderen, die an ihrem Küchentisch an ihrem privaten Laptop sitzen, während die Kinder um sie herumtoben.

Wenn wir diese Spannungen nicht bald lindern, indem wir uns mit mehr Verständnis und Zugewandtheit begegnen, machen wir es uns schwerer als Corona es uns allen sowieso schon macht. Ich verstehe das Bedürfnis, dass es sich nicht gut anfühlt, diese Veränderungen nicht selbst steuern zu können. Ich verstehe, dass Unternehmen sich für diese Zeiten nicht gewappnet fühlen. Das sind wir alle nicht. Das Einzige was hilft, ist, dass wir uns alle in die Augen schauen, am besten virtuell. Wir müssen über unsere Bedürfnisse und Verletzlichkeiten sprechen und versuchen, gemeinsam das Beste daraus zu machen.

In Zeiten der Krise werden wir stärker, wenn wir über unsere Bedürfnisse sprechen und uns verletzlich zeigen. Share on X

Meiner Meinung nach haben die Mitarbeitenden schon enorm vorgelegt. Sie haben trotz aller Widrigkeiten, das Tagesgeschäft am Laufen gehalten und nutzen dafür sogar ihr privates Equipment. Bei Arbeitgebern hingegen fehlt es häufig an Anerkennung dieses Einsatzes. Manchmal, so scheint es mir, ist es ihnen das nicht mal bewusst.

Persönliches Fazit und Ausblick

Gerade in den personell und finanziell nicht gut ausgestatteten Organisationen braucht es Vertrauen und Commitment, gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Es nützt nichts, sich an den alten Mustern festzuklammern, sondern jeder muss seine inneren Widerstände überwinden. Mit mehr miteinander als gegeneinander für Zugehörigkeitsgefühl und Nähe sorgen, wirkt auf alle beruhigend und entlastend. Das führt zu mehr Leistungsfähigkeit. Wir haben noch viel zu tun in Sachen Vertrauenskultur, so viel steht fest. Auch im Bereich Kommunikation ist noch viel Luft nach oben. Wenn wir gemeinsam durch diese Krise kommen wollen ohne zu starke wirtschaftliche Verluste, ist jetzt die Zeit daran zu arbeiten und zwar gemeinsam.

Jetzt ist es an der Zeit gemeinsam an einer Vertrauenskultur und guter Kommunikation zu arbeiten. Share on X

Für alle, die sich schwertun über ihren Schatten zu springen, möchte ich gerne an dieser Stelle die vier Fragen von Byron Kati als Hilfestellung mitgeben. Ihr Grundsatz ist „Lieben was ist!“ [1]

  • Ist das wahr?
  • Kannst du mit absoluter Sicherheit wissen, dass das wahr ist?
  • Wie reagierst du, was passiert, wenn du diesen Gedanken glaubst?
  • Wer wärst du ohne den Gedanken?

Diese Fragen lassen sich auf nahezu alle Konflikte anwenden, die zurzeit im Raum stehen: Sind meine Mitarbeitenden im Home Office genauso produktiv wie im Büro? Kann ich mich darauf verlassen, dass sie sich keine Stunden aufschreiben, die sie gar nicht leisten? Etc.

Ich gebe zu, dass ich selbst vor meinen eigenen Glaubenssätzen auch nicht gefeit bin. Denn diesen Artikel habe ich natürlich nicht ausschließlich geschrieben, um euch an meiner Weisheit teilhaben zu lassen (Ironie off), sondern weil ich genau damit gerade am meisten hadere: Lieben was ist!

Ich danke allen Arbeitgebern, die sich schon vor Corona auf den Weg zu einer Vertrauenskultur und digitaler Zusammenarbeit gemacht haben. Alle Mitarbeitenden, die seit März uneingeschränkt im Home Office arbeiten dürfen oder frei entscheiden dürfen, wann und ob sie ins Büro fahren, können sich glücklich schätzen. Das ist nicht selbstverständlich. Dieser Text ist für all jene geschrieben, die täglich einen Spagat zwischen ihren eigenen Bedürfnissen in der Krise und den Anforderungen ihrer Arbeitgeber schaffen. Ich hoffe immer noch, dass Corona die Störung ist, die dafür sorgt, dass mehr Arbeitgeber sich auch nachhaltig auf dem Weg der Veränderung machen: Für mehr Vertrauen in unserer Arbeitswelt.

[1] https://thework.com/sites/de/the-work/

P.S. Wenn es in deinem Unternehmen an Vertrauenskultur mangelt, lass uns gerne in den Austausch kommen. Es ist eines meiner Herzensthemen, Unternehmen dabei zu unterstützen, ihre Zusammenarbeit zu verbessern.

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Die Inhalte dieses Blogartikels stimmen nicht notwendigerweise mit der Meinung und Haltung meines Arbeitgebers überein. Es handelt sich hier um meine private Meinung.

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