Als ich in einem Online-Blog las, dass ein Großteil der Unternehmen immer noch Papierbewerbungen akzeptiert und nur ein sehr kleiner Teil ihren Kandidaten auch die Ein-Klick-Bewerbung ermöglicht, dachte ich mir, dass es Zeit für einen Selbsttest ist. Bekanntlich bevorzugen die meisten Unternehmen die Bewerbung über ihr Online-Formular, jedoch aus verschiedenen Candidate-Experience-Studien wissen wir, dass diese bei Bewerbern nicht so beliebt sind, weil sie sehr umständlich und/oder auch sehr aufwändig auszufüllen sind. Mein Anliegen ist es, es meinen Bewerbern möglichst einfach zu machen, sich in meinem Unternehmen zu bewerben. Daher liegt es mir am Herzen Recruitingkanäle vorher zu testen, die ich meinen Bewerbern zumute. Ich entscheide mich für Truffls, da diese App bereits über einen gewissen Bekanntheitsgrad verfügt.
Die Anmeldung
Truffls kann sowohl für Android als auch für Apple kostenfrei heruntergeladen werden. Mir wird die Möglichkeit angeboten, mich mit verschiedenen Accounts anzumelden. Ich entscheide mich für Xing und bin erstaunt, dass die Daten tatsächlich korrekt in mein Profil übertragen werden. Da kann sich manches Online-Bewerbungsformular noch was von abgucken. Ich kann einstellen in welchen Berufsfeldern ich tätig sein möchte, in welchem geographischen Umkreis und zu welchen Rahmenbedingungen. Auch diese Eingaben sind in unter einer Minute erledigt.
Der Matching-Prozess
Dann geht es schon los. Ich werde aufgefordert, die verschiedenen „Swipes“ nach oben, nach unten, nach rechts und nach links zu testen. Es erinnert mich an eine auch nicht ganz unbekannte Dating-App. Aber hier handelt es sich ja auch um eine Art Dating. Und so klicke ich mich durch die verschiedenen Stellenanzeigen bis die App keine Jobs mehr im Angebot für mich hat. Ich werde sogar mit zwei Jobs fündig. Die App verspricht mir, dass Unternehmen nun mitgeteilt wird, dass ich Interesse hätte. Ich bin gespannt, ob ein Unternehmen über die Chatfunktion Kontakt mit mir aufnimmt.
Für Unternehmen
Während ich warte, lese ich mir das Angebot für Unternehmen von Truffls durch. Auch für das Unternehmen soll der Prozess ähnlich einfach sein. Die Stelle einlesen lassen, den Matchingalgorithmus arbeiten lassen und interessante Kandidaten kontaktieren, die auf die Stelle reagiert haben. Gezahlt wird pro Stelle. Interessant zu wissen wäre, ob es Kontingentpreise gibt. Die ausgewiesenen Preise befinden sich im Vergleich zu Online-Jobbörsen im Mittelfeld bis oberes Preissegment, je nachdem für wieviel Extras man sich entscheidet.
Einfach für den Bewerber, geringe Qualität für Unternehmen?
So weit hat die App es mir als Bewerberin recht einfach gemacht. Der gesamte Prozess hat nur wenige Minuten gedauert und nun kann ich mich zurücklehnen und abwarten. Den ganzen aufwändigen Prozess, Anschreiben verfassen, Online-Bewerbungsformular ausfüllen, konnte ich mir sparen. Das fühlt sich einfach und gut für mich an. Dann eines Tages habe ich tatsächlich eine Nachricht im Chat und ich vereinbare mit dem Unternehmensvertreter ein Telefonat. Ich versuche im Gespräch heraus zu finden, wie das Unternehmen die App einschätzt. Es wird mir mitgeteilt, dass man gerade dabei sei, neue Recruitingkanäle auszuprobieren und in diesem Rahmen auch Truffls teste. Es sei wohl relativ wenig von meinem Profil zu sehen gewesen bis man es sich habe freischalten lassen. Und obwohl ich mir recht viel Mühe mit dem Ausfüllen gegeben habe, war der Eindruck auf der anderen Seite, eigentlich keine Aussagekraft darüber zu haben, ob mein Profil für die Position geeignet sei. Deswegen habe man mit mir erstmal telefonieren wollen, um einen besseren Eindruck zu erhalten.
Konsistenz im Prozess
Der Unternehmensvertreter und ich haben gut 20 Minuten telefoniert und uns ausgetauscht. Das hat sich erstmal für mich als Kandidatin gut angefühlt. Am Ende des Telefonats stellte er es mir frei, ob ich mich nun bewerben wolle. Es wurde sich dafür entschuldigt, dass man eben noch die alten Prozesse hätte, man sei gerade erst dabei, sich neu aufzustellen und so lange müsse man eben an den alten Strukturen festhalten. Ich sollte also eine Emailbewerbung senden, da es auch noch kein Bewerbermanagement gäbe. Gesagt, getan. Was ich verblüffend fand, war, dass obwohl ich meinem Ansprechpartner direkt angeschrieben habe, ich über drei Tage keine Reaktion erhielt. Stattdessen erhielt ich dann von seiner Mitarbeiterin eine formelle Eingangsbestätigung. Ich dachte, alte Prozesse hin oder her, wir haben gerade telefoniert, warum ist es nicht möglich einfach auf den Antworten-Button zu drücken und kurz zu schreiben: „Vielen Dank für Ihre Unterlagen, ich leite sie hausintern weiter und wir melden uns.“?!
Ein Schritt nach dem nächsten
Die Idee sich mit innovativen Recruitingkanälen zu befassen, ist gut und richtig. Hier zeigt sich jedoch aus meiner Sicht, dass eine Inkonsistenz im Prozess, die Bewerber irritieren kann. Daher empfehle ich Unternehmen, sich dazu Gedanken zu machen, ihre Prozesse ganzheitlich umzustellen, da es sonst zu Brüchen kommen kann, wie in meinem Beispiel, die Verwunderung auslösen. In dem Gespräch habe ich nicht nur erfahren, dass es bisher kein Bewerbermanagementsystem gibt, sondern, dass Fachabteilungen auch die Einstellungsgespräche noch alleine führen und es handelt sich hierbei nicht um Kleinunternehmen. Der weitere Prozess dauerte ebenfalls mehrere Wochen, in denen ich nichts mehr gehört habe und endete in einer Standardabsage von besagter Mitarbeiterin.
Fazit
Mein Fazit ist, ja Ein-Klick-Bewerbungen sind für Bewerber angenehm. Wie kann jedoch die Qualität auf Unternehmensseite sichergestellt werden, dass auch eine gute Vorselektion gewährleistet werden kann? Vielleicht ist das aber auch gar nicht relevant, da die klassischen Bewerbungsunterlagen bekanntlich auch keine hohe Validität haben. Für Personalentscheider scheint es sich jedoch, zumindest in meinem Fall, so anzufühlen als ob sie keine gute Entscheidungsgrundlage hätten.
Zu beachten ist jedoch auch die Konsistenz des Recruitingprozesses. Wenn ein so innovatives Tool zum Einsatz kommt und es zu so einem starken Bruch im weiteren Prozess kommt, dann stellt sich wieder die Frage, ist in der Verpackung drin, was draußen draufsteht? Das alte Personalmarketingproblem, dass der Eindruck entsteht, man habe es mit einem innovativen und modernen Unternehmen zu tun und die Enttäuschung, dass es neben den Prozessen auch an einer gewissen Grundhaltung in der Kommunikation mit den Kandidaten fehlt.
Zu Truffls selbst ist noch zu sagen, dass mir auch oft Jobs außerhalb meines geographischen Radius angeboten werden, weil suchende Unternehmen einfach eine Adresse in meiner Stadt hinterlegen. Beim Anklicken der Originalausschreibung stellt sich dann jedoch schnell raus, dass für einen ganz anderen Standort gesucht wird. Was Unternehmen damit bezwecken wollen, ist mir rätselhaft. Denn das genau ist ja einer der Punkte, die Truffls auszeichnet, dass der Kandidat genau festlegen kann in welchem Radius er Jobangebote sucht. Es ist einfach nervig die anderen Angebote dazwischen rausfiltern zu müssen.
Es ist also noch viel zu tun!
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