Was passiert, wenn man als Arbeitgeber seine Versprechen nicht einhält oder im Recruitingprozess nur die halbe Wahrheit sagt? Heute ein Praxisbericht, der in meinem unmittelbaren Umfeld tatsächlich so geschehen ist.
Herr K. hat eine Ausbildung als Anlagenmechaniker mit dem Schwerpunkt Sanitär, Heizung und Klima gemacht. Ein Berufsfeld, in dem wirklich gute Fachkräfte rar sind. Bei seinem Arbeitgeber hat er sich hochgearbeitet, übernimmt die Funktion des Obermonteurs und fährt regelmäßig auch im Notdienst raus. Er erhält ein Personalentwicklungsgespräch in dem ihm mehr Gehalt versprochen wird. Grundsätzlich gefällt es ihm bei der Firma ganz gut. Er hat die Verantwortung für ein großes Projekt bei einem regionalen Großkunden. Die Zusammenarbeit mit dem Kunden und anderen Dienstleistern vor Ort klappt hervorragend. Er erhält regelmäßig sehr gutes Feedback. Alle sind zufrieden. Nur die Gehaltserhöhung lässt auf sich warten. Der Chef hat immer neue Begründungen dafür, warum es jetzt gerade doch noch nicht geht. Mittlerweile erfährt er im Gespräch, dass Kollegen, die weniger Verantwortung übernehmen sogar mehr verdienen als er. Er ist eine treue Seele, deswegen macht er das noch eine ganze Weile mit.
Irgendwann reicht es ihm aber. Er schreibt zwei Bewerbungen, wird einmal zum Vorstellungsgespräch eingeladen und erhält ein Angebot. Damit er seine Kündigungsfrist einhalten kann, erhält er im Vorfeld zum eigentlichen Arbeitsvertrag eine Einstellungszusage. Er kündigt. Doch als er den neuen Vertrag erhält, muss er feststellen, dass er viele Punkte enthält, die vorher so nicht besprochen waren. Tatsächlich wäre er sogar lieber bei seinem alten Arbeitgeber geblieben als diesen neuen Vertrag anzutreten. Tagelang denkt er darüber nach, was er tun soll. Es ärgert ihn, dass er so vertrauensselig war. Es hat sich alles so gut angehört und er hatte sich schon so auf seinen neuen Arbeitgeber gefreut und darauf gehofft, dass sich nun auch endlich in seinem Gehalt, die Wertschätzung zeigen würde, die er bei seinem letzten Arbeitgeber vermisst hatte.
Daran zurückdenkend, dass er bisher noch nie viele Bewerbungen schreiben musste, um einen neuen Arbeitgeber zu finden, schreibt er einfach eine weitere Bewerbung. Er wird zum Gespräch eingeladen. Er erhält sofort ein Angebot. Dieses Mal wartet er auf den Vertrag bevor er sich endgültig entscheidet. Sicher ist sicher. Doch der neue Arbeitgeber hält sich an seine Versprechen. Den ersten Arbeitsvertrag von der anderen Firma schickt er ohne Unterschrift zurück und unterschreibt stattdessen den neuen Vertrag.
Warum schreibe ich darüber? Immer wieder höre ich von Unternehmen Sätze wie: „Heute findet man keine guten Leute mehr!“ oder „Mitarbeiter sind auch nicht mehr so loyal wie sie mal waren!“ Gerade wenn Führungskräfte schon seit mehreren Jahren für ein Unternehmen tätig sind, fehlt scheinbar oft das Verständnis dafür welchen Umgang zukünftige Mitarbeiter oder Bewerber sich wünschen. Bei jeder Imagekampagne frage ich immer: „Könnt ihr halten, was ihr versprecht?“
Worauf ich hinaus will, es wird überall über Fachkräftemangel gesprochen und doch gibt es noch so manches Unternehmen, die es mit Offenheit, Transparenz und Wertschätzung immer noch nicht ernst meinen. Sie verhalten sich immer noch so als ob sie 100er von Bewerbern für ihre Stellen zur Auswahl hätten, obwohl sie das gar nicht mehr haben. Der schwarze Peter wird aber den unzuverlässigen und illoyalen Mitarbeitern zugeschoben. Daher war es mir ein Anliegen, diese Geschichte mit Ihnen zu teilen.
Wenn Unternehmen erwarten, dass ihre Mitarbeiter zuverlässig und loyal sind, sollten sie diese Werte auch selber leben. Eigentlich logisch. Halten Sie Ihre Versprechen. Sie wollen gute Fachkräfte für Ihr Unternehmen gewinnen, dann seien Sie von Anfang an offen und ehrlich in Bezug auf das was Sie anbieten können und wollen. Verhalten Sie sich partnerschaftlich. Denn gerade, wenn Sie so treue Seelen haben wie hier in dem Beispiel beschrieben, die grundsätzlich mit ihrer Arbeit zufrieden sind, die ihren Job gerne machen, können Sie diese damit in Ihrem Unternehmen halten. Denn sie haben gar keinen Grund sich weg zu bewerben. Geben Sie ihnen auch keinen!